helladische Kultur: Erste städtische Siedlungen der frühheladischen Kultur

helladische Kultur: Erste städtische Siedlungen der frühheladischen Kultur
helladische Kultur: Erste städtische Siedlungen der frühheladischen Kultur
 
Der ägäische Raum gliederte sich im 3. Jahrtausend v. Chr. in vier große Kulturprovinzen: das griechische Festland, die Kykladen, das frühe Kreta und den nordwestlichen kleinasiatischen Küstenraum mit den vorgelagerten Inseln. Eines der Zentren bildete Troja. Alle diese Regionen standen in mehr oder minder intensivem Kontakt miteinander. Der Übergang von der ausgehenden Steinzeit zur frühen Bronzezeit vollzog sich in der Ägäis nicht in einer eigenständigen Entwicklung. Zwar sind bereits aus steinzeitlichen Funden vereinzelt Gegenstände aus gehämmertem Kupfer bekannt, die neuartigen Techniken der Verhüttung und Verarbeitung von Kupfer und Bronze dürften allerdings vom Osten her, über Kleinasien, vermittelt worden sein.
 
Der Beginn der frühen Bronzezeit um 3000 v. Chr. stellte in der Ägäis einen entscheidenden Einschnitt dar, durch den in der Folge handwerkliche und künstlerische Traditionen, aber auch die sozialen und politischen Verhältnisse nachhaltig verändert wurden. Zu den Hauptwerkstoffen zählten Kupfer und kupferhaltige Legierungen, die zur Herstellung von Waffen und Geräten verwendet wurden, sowie Silber und Gold. War es im Neolithikum noch möglich, ein Handwerk wie die Weberei, die Töpferei oder auch die Produktion einfacher Steingefäße im Familienkreis oder in einer kleinen dörflichen Gemeinschaft zu betreiben, so erforderten nun Abbau und Verhüttung der Erze, ebenso wie das Weiterverarbeiten des Metalls durch Legieren, Gießen, Treiben und Hämmern, ein hochspezialisiertes Handwerk, das die Möglichkeiten kleinerer Gemeinwesen überstieg. Erze standen in der Ägäis nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung, sodass in dieser Zeit bereits ein echter und dauerhafter Fernhandel zur Beschaffung der fehlenden Rohstoffe entstand. Die berufliche Spezialisierung führte zu einer gesellschaftlichen Differenzierung. Außerdem trug sie in den vorher weit gehend agrarisch orientierten Gesellschaften zur Belebung, wenn nicht gar zur Schaffung eines inneren Wirtschaftsgefüges bei, da nun weite Gesellschaftsschichten ihre Nahrung nicht mehr selbst produzieren konnten, sondern auf Tauschhandel angewiesen waren. Der Besitz von Metall sowie die damit verbundenen neuen Möglichkeiten, Reichtum zu horten und zu kontrollieren und mithilfe dieses Reichtums gesellschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse zu schaffen, führten bereits im 3. Jahrtausend zur Herausbildung gesellschaftlicher Eliten bis hin zu Kleinfürsten und Kleinkönigen, die über begrenzte Territorien gebieten konnten.
 
Die frühbronzezeitliche oder, in der archäologischen Terminologie, die frühhelladische Kultur des griechischen Festlandes umfasste folgende Kernlandschaften, von denen die zivilisatorischen Impulse des 3. Jahrtausends ausgingen: Elis, Messenien und die Argolis auf der Peloponnes, einen Teil Attikas und Böotien. Auch die Ionischen Inseln im Westen waren Teil der frühhelladischen Welt, wobei Thessalien im Norden, wo sich neolithische Lebensformen länger hielten, nur eine Randprovinz bildete. Im südlichen Attika und auf der großen Insel Euböa entwickelte sich im 3. Jahrtausend eine Mischkultur, an der frühhelladische wie kykladische Elemente gleichermaßen teilhatten.
 
Gegenüber der Steinzeit veränderte wirtschaftliche Bedingungen führten zu wachsendem Wohlstand und begünstigten die Zunahme der Bevölkerung. Zahl und Größe der Siedlungen nahmen zu, sodass sich bereits erste städtische Strukturen abzeichneten. Die Siedlungen waren nun von einer Ausdehnung der Siedlungsflächen, stark verdichteter Bebauung, erkennbarer Planung der Straßenzüge und gelegentlich auch residenzartigen Gebäuden sowie Befestigungen, die auf einen eher städtischen Charakter hinweisen, geprägt.
 
Die frühhelladische Hausarchitektur zeigt eine große Vielfalt mit in der Regel mehrteiligen Hausanlagen, deren quadratische oder auch rechteckige Räume sich oft neben einem Korridor oder in häufig unregelmäßiger Form um einen kleinen Hof gruppieren. Die Kleinfunde lassen vielfach bereits unterscheidbare Raumfunktionen, etwa Vorratsräume mit Pithoi, großen Vorratsgefäßen, Wirtschafts- und Küchenräume, erkennen. Sehr oft findet man das Megaronhaus, das grundsätzlich aus einem großen Rechtecksaal besteht. Ein Vorraum, gelegentlich auch ein rückwärtiger Raum, können abgetrennt sein. Ein typisches Merkmal sind in der Front lang vorgezogene Wände, Antenwände, die ein Vordach über dem Eingangsbereich tragen. Besonders gegen Ende des Frühhelladikums verbreitete sich auf dem griechischen Festland eine Variante des Megarons mit gekurvtem rückwärtigem Abschluss. Der Typus geht auf steinzeitliche Vorläufer zurück, die neben dem reinen Wohncharakter teilweise bereits eine palastartige Funktion aufweisen. So ist die Residenz in der spätneolithischen kleinen Burganlage von Dimini in Thessalien als Megaron gestaltet.
 
Eine monumentale Fortentwicklung und Erweiterung des Megarons stellt das frühhelladische Korridorhaus dar, das von der Insel Ägina, aus Lerna in der nördlichen Peloponnes und aus Akovitika in Messenien bekannt ist. Es besteht aus einer Flucht großer, hintereinander gestaffelter, rechteckiger oder quadratischer Räume, an deren Längsseiten sich schmale Korridore hinziehen. Die Korridore dienten zum Teil als Treppenhäuser; die Gebäude waren demnach mehrstöckig. Während das älteste Gebäude dieses Typus in Lerna noch lang vorgezogene Antenwände wie ein Megaron aufweist, herrschte später eine geschlossene schmale Seite mit Seiteneingang vor. Diese entwickelte Variante ist am Besten in Lerna zu beobachten, wo das Gebäude isoliert stand. Seine Dimension - es misst etwa 25 x 12 m - und die kleinen Funde, vor allem eine große Zahl von Siegelabdrücken, die zur Kennzeichnung von Waren dienten, weisen auf eine Funktion als öffentliches Gebäude hin, vielleicht bereits als Residenz eines Kleinfürsten.
 
Als Baumaterial dienten in der frühhelladischen Zeit meist luftgetrocknete Lehmziegel. Ein Sockel aus Bruchsteinen hielt die Feuchtigkeit von den Mauern fern. Hölzerne Stützen, die halfen, Decken und Dächer zu tragen, sind jedoch eher selten. Hölzernes Balkenwerk verstärkte die Decken- und Dachkonstruktionen. Die eigentliche Dachabdeckung aufwendigerer Gebäude erfolgte zum Teil durch Flachziegel aus gebranntem Ton, zum Teil durch Schieferplatten.
 
Obgleich die offene Wohnsiedlung in frühhelladischer Zeit vorherrschte, waren Befestigungsanlagen nicht unbekannt. Die Stadtbefestigung von Ägina weist mehrere zeitlich aufeinander folgende, zum Teil sehr massiv gebaute Mauerringe aus Bruchstein auf. Vorspringende rechteckige oder auch halbrunde Bastionen, vorzugsweise zum Schutz von Tordurchgängen, oder auch eine fast zwingerartig gestaltete Torgasse belegen den hohen Entwicklungsstand der Befestigungsanlagen auf der Insel. In Lerna dagegen scheint nur eine Kasemattenmauer ein isoliert stehendes Korridorhaus samt kleineren Nebengebäuden zu umschließen. Dies deutet eher auf eine burgartige Anlage, die vielleicht regionales Zentrum war, das heißt Sitz eines Kleinfürsten oder Kleinkönigs.
 
Die frühhelladischen Grabstätten sind in der Regel bescheiden. Einfache Erdgräber oder aus Steinplatten gebildete kistenartige Gräber für eine oder mehrere Bestattungen sind die Regel. Daneben gibt es kleine, aus dem Fels gehauene Kammergräber, die über einen Einstieg zugänglich waren. Eine Ausnahme stellen die Tumulusgräber (Hügelgräber) auf der Insel Leukas dar, die über runden Plattformen aus Bruchsteinen aufgeschüttet wurden. Sie enthielten Steinkisten und Pithosgräber. Wie in der gesamten Ägäis während der Bronzezeit war auch im Frühhelladikum Körperbestattung die Regel. Den Toten wurden Keramik, zum Teil mit Speis und Trank, Schmuck und gelegentlich auch Metallgegenstände mit ins Jenseits gegeben.
 
Zu den bekanntesten Zeugnissen der frühhelladischen Blütezeit gehört die Keramik. Die Gefäße sind gewöhnlich einfarbig mit tongrundiger Oberfläche. Gelegentlich sind sie mit einem feinen, hellen Überzug oder auch mit dem Urfirnis bedeckt. Beim Urfirnis handelt es sich um einen Glanztonschlicker, eine aus feinstgeschlämmten Tonteilchen gewonnene Malfarbe, die im gebrannten Zustand ohne weitere Politur glänzt. Der Urfirnis ist der Vorläufer des späteren, feiner aufbereiteten Firnisses minoischer, mykenischer und auch noch griechischer Vasenmalerei. Obwohl handgefertigt, sind frühhelladische Gefäße vielfach außerordentlich dünnwandig, präzis geformt und technisch hervorragend gebrannt. Es fehlt jedoch an fast jeglichem Versuch einer weiteren künstlerischen Ausgestaltung, sei es durch plastische Zutaten, sei es durch Malerei. Die Keramik dieser Zeit ist ganz offensichtlich qualitätvoll gefertigte Massenware. Unter den Gefäßformen finden sich vielfach Schnabelkannen, meist kugelige, große Kannen mit einem senkrechten, engen Hals, dessen schräg abgeschnittener Ausguss an einen Schnabel erinnert. Diese Gefäßform ist in vielen frühbronzezeitlichen Kulturgruppen des ägäischen Raums und Anatoliens verbreitet. Typisch frühhelladisch sind dagegen Schälchen, vermutlich Trinkschalen, mit eingebogenem Rand und Askoi, das sind asymmetrisch gestaltete, schräg gelagerte Ausgussgefäße mit einem Henkel. Zur elegantesten Schöpfung frühhelladischer Keramik gehört jedoch die Schnabeltasse oder auch Sauciere, ein offenes, weitmundiges Gefäß, das auf einer Seite einen langen, gerade abgeschnittenen Ausguss ausbildet. Gegenüber dem Ausguss sitzt ein kleiner, waagerechter oder senkrechter Henkel. Die Schnabeltassen dienten vermutlich als Trinkgefäße und dürfen als eine Leitform der frühhelladischen Keramik gelten. Die Einfarbigkeit der Gefäße geht einher mit präziser Umrissführung, eleganter Profilierung, mit scharf geschnittenen Detailformen wie etwa den Ausgüssen von Schnabelkannen und Schnabeltassen und mit der vielfachen Nachahmung von Henkelnietungen und anderen metallischen Accessoires. Die Töpfer orientierten sich offenbar in hohem Maße an Vorbildern aus kostbarem Metall, wie Gefäßen aus Gold und Silber, denen eine einfarbig glänzende Oberfläche eigen ist. Auf dem griechischen Festland haben sich allerdings nur zwei goldene Schnabeltassen, von denen die eine im Louvre in Paris, die andere im Israel-Museum in Jerusalem aufbewahrt wird, erhalten. Sehr viel größer ist die Zahl erhaltener kleinasiatischer Edelmetallgefäße aus der gleichen Zeit. In der Zerstörungsschicht der zweiten Stadt von Troja fanden sich Becher, Schalen und eine Variante der Schnabeltasse aus Gold und Silber, in den Fürstengräbern von Çatal Hüyük im zentralen Anatolien waren den Toten neben Trinkgefäßen auch Schnabelkannen aus Edelmetall mitgegeben.
 
Erst im letzten Viertel des 3. Jahrtausends v. Chr. entwickelte sich auf dem griechischen Festland eine reiche, bemalte Keramik in zwei technischen Varianten: Eine Gattung trägt weißen Dekor auf dunklem Urfirnisgrund, die andere, häufigere zeigt Urfirnisornamente auf hellem Tongrund. Die Dekorationsmuster gehen selten über einfache lineare Formen hinaus.
 
Erste Versuche der Siegelschneidekunst haben sich in Lerna gefunden. Den Abdrücken dieser runden Siegel entsprechend war die Oberfläche mit Schlaufen- und Schlingenmustern verziert. Diese Bandornamente umkreisen das Siegelrund oder sind als Einzelmotive auf das Zentrum des Siegels ausgerichtet. Die Kompositionsprinzipien erinnern durchaus an gleichzeitige und spätere minoische Siegel. Allerdings entwickelte die Siegelschneidekunst auf dem Festland keine länger andauernde Tradition.
 
Einen hohen technischen Stand erreichte auch das frühhelladische Metallhandwerk. Dolche, Beile, Äxte und andere Gebrauchsgeräte wurden zunächst aus purem Kupfer gegossen, das später durch arsenhaltige Bronze verdrängt wurde. Am Ende des 3. Jahrtausends begegnen uns dann die ersten regulären Zinnbronzen. Auch die Gold- und Silberschmiedekunst war hoch entwickelt. Neben einfachen Ohrringen, Armspiralen und gehämmerten, schmalen Diademen finden sich technisch aufwendig gearbeitete Kettengehänge, die einen Vergleich mit Schmuckstücken aus Troja nicht zu scheuen brauchen. Granulation und Filigran als Verzierungstechniken waren bereits bekannt.
 
Prof. Dr. Hartmut Matthäus
 
 
Demargne, Pierre: Die Geburt der griechischen Kunst. Die Kunst im ägäischen Raum von vorgeschichtlicher Zeit bis zum Anfang des 6.vorchristlichen Jahrhunderts. München 1965.
 Matz, Friedrich: Kreta und frühes Griechenland. Prolegomena zur griechischen Kunstgeschichte. Neuausgabe Baden-Baden 31979.

Universal-Lexikon. 2012.

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